Frühere DDR-Dissidenten treten in CDU ein

"Der Eintritt dieser vier in die Union mag zunächst nicht so spektakulär erscheinen wie der Beitritt der Gruppe um Vera Lengsfeld und Günter Nooke am 17. Dezember 1996, vor allem weil sich damit in der Sitzverteilung im Bundestag nichts ändert", sagte Vaatz. Objektiv stelle sich das jedoch anders dar. Im Vordergrund stehe, welche Rolle sie unter dem DDR-Regime, aber auch danach in der Auseinandersetzung mit der SED-Vergangenheit gespielt haben. "Das ist ein Signal, daß die Bürgerrechtler der DDR, die wirklich Widerstand geleistet haben, zunehmend in der Union ihre Heimat sehen", betonte Vaatz. "Thomas Auerbach war eine der ersten Adressen unter den Dissidenten der DDR. "Er spielte eine zentrale Rolle im Widerstand gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann." Er habe den Kriegsdienst in der DDR verweigert, "weil ich nicht auf meine leiblichen Brüder und Schwestern im Westen schießen wollte", sagte Auerbach.

Es folgte die erste Bearbeitung durch die Stasi. 1971 wurde er Leiter der Jungen Gemeinde in Jena. 1975 trat er in die Ost-CDU ein, um gefährdete Jugendliche besser gegenüber staatlichen Stellen vertreten zu können. 1976 wurde er verhaftet, weil er gegen die Ausbürgerung Biermanns protestiert hatte. Die DDR-Justiz warf ihm "staatsfeindliche Hetze" und "staatsfeindliche Gruppenbildung" vor. Die Ost-CDU schloß ihn während der Haft wegen "parteischädigenden Verhaltens" aus. 1977 wurde Auerbach nach West-Berlin ausgebürgert. Dort arbeitete er in der "Arbeitsgruppe Berlin- und Deutschlandpolitik" der Alternativen Liste mit. Die DDR stufte ihn deshalb als so gefährlich ein, daß sie ihn bis 1989 von der Stasi bespitzeln ließ. Er arbeitet heute bei der Gauck-Behörde.

Auch Klingenberg wurde 1976 festgenommen, weil er gegen die Ausbürgerung Biermanns protestierte. 1983 übersiedelte er nach West-Berlin und arbeitete mit Auerbach in der Arbeitsgesellschaft für Deutschlandpolitik mit. Reiprich gehörte wie Auerbach und Klingenberg zu der Jenaer Gruppe, er konnte seine DDR-Kritik einige Jahre durch Posten in der FDJ tarnen. Wenn er das Blauhemd auszog, verbreitete er Literatur von Reiner Kunze und Biermann. Einen Anwerbungsversuch des MfS 1974 vereitelte er, in dem ihn öffentlich machte.

Reiprich wurde auf dem "OV (Operativer Vorgang des MfS) Pegasus", der unter anderem gegen Kunze gerichtet war, als "Feindperson" registriert. Die Stasi observierte ihn auch nach seinem Übertritt nach West-Berlin 1981. Er stieß dort zur Friedensbewegung und trat 1983 in die SPD ein. Wegen der Behandlung des Falles Stolpe sei er 1992 aus der SPD wieder ausgetreten, so Vaatz. 1988 löste er bei der SPD Heiterkeit aus, als er warnte: "Ihr könnt euch doch nicht mit den Bonzen von der SED verbrüdern, die historisch zum Untergang verurteilt sind."

© DIE WELT, 18.5.1999

Besetzung des Stasigefängnises in Gera Thüringer Landeszeitung Juli 1999

Beerdigung von Jürgen Fuchs Die Welt vom Mai 1999 Beerdigung Fuchs

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